Lieben und Loslassen

Marie Mannschatz: Lieben und Loslassen, Durch Meditation das Herz öffnen
Theseus Verlag, Berlin 2002, EUR 17,90,

besprochen von Hans Gruber


Marie Mannschatz ist in Deutschland geboren und von dem bekannten amerikanischen Buddhisten Jack Kornfield zur Vipassana-Lehrerin ausgebildet worden. In ihrem ersten Buch vermittelt sie ihr Verständnis von der buddhistischen Übung in Mettâ oder "Sympathie, Herzenswärme, Wohlwollen, liebevoller Zuwendung", wie sie das alte Pali-Wort übersetzt. Gemäß dem Grundansatz des Buddhismus lehrt sie die klare Kultivierbarkeit der vier traditionellen Herzensbereiche "Brahma-Vihâras", dies heißt von Liebevoller Zuwendung, Mitgefühl, Mitfreude und Gelassenheit bzw. Gleichmut. Diese fasst sie kurzerhand alle unter Mettâ. Sie will die im alten Pali-Kanon verankerte Mettâ-Meditation modern zugänglich machen, indem sie einer abendländischen Herangehensweise an die Lehre des Buddha folgt.

In diesem Sinne erscheinen zuerst die Grundlagen und dann die Einzelbereiche der Übung in Freundlichkeit und Nächstenliebe, wie Mettâ hier auch gesehen wird. Die meisten Kapitel enden mit praktischen Übungsanleitungen, die aus der langjährigen Tätigkeit der Autorin als Meditationslehrerin und Gestalttherapeutin schöpfen. Nach den Kapiteln zu den vier Herzensbereichen werden jeweils deren "nahe" und "ferne Feinde" behandelt. Die "nahen Feinde" sind Gefühle, die aus Unachtsamkeit häufig mit den vier Brahma-Vihâras verwechselt werden; nämlich Fixiertsein mit Liebe; Mitleid mit Mitgefühl; Idealisierung oder Schmeichelei mit Mitfreude; sowie Gleichgültigkeit mit Gelassenheit oder Gleichmut. Die "fernen Feinde" sind die jeweiligen Gegenteile; nämlich Böswilligkeit und Ärger zu Liebe; Grausamkeit zu Mitgefühl; Neid und Eifersucht zu Mitfreude; sowie Reaktivität zu Gleichmut.

Im definitorischen Bereich hat das Buch auch Schwächen. So wird der Ausdruck "Brahma" in "Brahma-Vihâras" (Wohnorte der Brahma-Götter) unrichtig mit "Wohnorte der Brahmanen" wiedergegeben. Der Buddha hat lediglich die Brahma-Götter als Personifikation hochentwickelter Geisteszustände betrachtet, wie sie auch hier im menschlichen Bereich in Form eben jener vier "Brahma-Vihâras" möglich sind. Damit lebt man auf Erden sozusagen wie ein Gott. Der Buddha hat dagegen die Brahmanen als Angehörige der höchsten Kaste der indischen Gesellschaft nicht als per se "rein" betrachtet, wie sie sich selbst empfinden. Er ist vielmehr ein ausgesprochener Kritiker der brahmanischen Lehren gewesen. Der Erwachte hat das Kastensystem abgelehnt, was ihm dem Zorn der Brahmanen eintrug (obgleich sich Brahmanen auch vom Kastensystem lossagten und dem Buddha folgten). Doch diese Schwächen können nicht die tief erfahrungsreiche Sprache und Lehre von Marie Mannschatz aufwiegen, mit der sie die Mettâ-Praxis vermittelt.

Sie versteht zum Beispiel Loslassen(können) und Liebe als zusammengehörig. So sagt sie: "Im vollkommenen Loslassen" (besonders in der Konfrontation mit endgültiger Trennung von liebgewonnenen Personen) "gelingt es uns Menschen oftmals, die Begrenzungen der konditionierten Persönlichkeit wegzulassen und der Liebe allen Raum zu geben." Voll achtsam zu sein heißt, ganz in der Gegenwart zu leben oder das stete Entstehen und "Sterben" der Erscheinungen zu akzeptieren. So kann man auch in fortwährender Weise loslassen. Daraus entsteht nun Wahre Liebe, die im Buch etwa so resümiert wird: "Ohne Furcht und mit bedingungsloser Liebe in reiner Gegenwart zu leben ist das höchste Glück, das uns widerfahren kann." Neben ihrer ethisch aktivierenden Bedeutung hat die Mettâ-Meditation auch eine den liebenden Menschen tief läuternde Wirkung: "Sie wirkt wie ein schützendes Cape, das uns wärmt, unser Selbstvertrauen stärkt und Ängste verscheucht."


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