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Wahre Demokratie braucht Freiheit Ein Kommentar zur Wiedereröffnung
der umstrittenen Wehrmachtsausstellung, Am 27. November 2001 wurde in Berlin die umstrittene Wehrmachtsausstellung von Jan Philip Reemtsma in einer neuen Präsentationsform, aber mit der gleichen Grundaussage wieder eröffnet. Soll heute diese von 1995 bis 1999 gezeigte und stark umstrittene Ausstellung des "Hamburger Institutes für Sozialforschung" zu den Verbrechen der Wehrmacht im Osten erneut gezeigt werden? Diese Frage erübrigt sich, und zwar aus mehreren Gründen: Der erste hat mit der objektiven Sachlage zu tun, was die Motivation zu diesem Krieg angeht. Denn Adolf Hitler befahl vor seinem Ost-Feldzug explizit: "Wir müssen vom Standpunkt des soldatischen Kameradentums abrücken. Es handelt sich um einen Vernichtungskampf." Dies wurde damit begründet, dass es sich in diesem Falle nicht um einen gewöhnlichen Kriegszweck handele, sondern um die "höhere Aufgabe", eine Weltanschauung zu vernichten: "Die jüdisch-bolschewistische Intelligenz muss beseitigt werden", wie Hitler betonte. Dabei seien soldatische Bedenken unzulässig. In einem solchen Kampf dürften auch Zivilisten nicht verschont bleiben, hieß es weiter. Die Generalität der Wehrmacht stimmte hier voll zu. Deshalb kann es heute keine Einwände geben, wenn man die aus einer so eindeutigen Ausgangslage zwangsläufig resultierenden Verbrechen genau dokumentiert. Die trotzdem geäußerten Einwände führen zum zweiten Grund, warum diese Ausstellung notwendig scheint: Integraler Bestandteil einer authentischen und langfristig überlebensfähigen Demokratie ist eine offene Diskussionskultur, das Verhindern kollektiver Verdrängung. Selbstverständlich werden sich heute die meisten alten Wehrmachtsangehörigen gegen diese Dokumentation aussprechen. Soll deshalb den Fakten nicht ins Auge gesehen werden? Es ist denen nichts geschehen, die Mordbefehle verweigert haben. Doch es waren wenige. Um so mehr scheint aktuell eine geistige Auseinandersetzung notwendig, wie sie diese Dokumentation nahelegt. Bei der früheren und mit viel schockierendem Fotomaterial bestückten Ausstellung unterliefen manche Fehler. Einige Fotos zeigten nicht Opfer der Wehrmacht, sondern des sowjetischen Geheimdienstes NKWD. So hatten es Recherchen des deutsch-polnischen Historikers Bogdan Musial und des Spiegel ergeben. Aber diese zweifellosen Patzer können nicht eine Verunglimpfung des ganzen Projektes rechtfertigen. Die Konsequenzen wurden damals gezogen: Reemtsma entließ den Ausstellungsleiter Hannes Heer. Die Zuschauer sehen heute eine neue Ausstellung, mit nicht einmal zehn Prozent des alten Fotomaterials. Aus der früheren spektakulären Bildersammlung ist eine solide Leseausstellung geworden. Dennoch ist sie doppelt so groß, eine penible Dokumentation der Verbrechen. Dabei wird auch früher nicht Dokumentiertes (das Verhungernlassen von Millionen Kriegsgefangenen, die Deportation von Zwangsarbeitern "ins Reich", oder die medizinischen Experimente an Kriegsgefangenen) genau belegt. Trotz dieser noch besseren Dokumentation der Verbrechen (und die jetzige Ausstellung bezieht sich nicht nur auf Hitlers Ostfeldzug, sondern ebenso auf den Krieg in Serbien und Griechenland), dürften aktuell Seelsorger wie in den Neunzigern überflüssig sein. Der brutale Krieg der Wehrmacht gegen die Partisanen etwa wird kaum noch mit schockierenden Fotos gezeigt. Auch die folgende Tatsache sollte als Argument für die Ausstellung gelten: Es bedurfte in Deutschland eines unabhängigen Milliardärs - Jan Philip Reemtsma mit seinem hervorragend ausgestatteten "Hamburger Institut für Sozialforschung" -, um dieses zentrale Thema Mitte der Neunziger sehr spät erstmals gründlich zu bearbeiten und öffentlich zu machen. Eine staatliche Institution hatte es bis zu diesem späten Zeitpunkt nicht geschafft, und hätte es wohl bis heute nicht geschafft. Es gibt im demokratischen Deutschland offenkundig noch so manche Tabuthemen, die nicht wegen mangelnder Relevanz unbearbeitet sind. Geradlinigkeit und Offenheit benötigen ein Klima der Freiheit statt Anpassung. Wo ersteres weniger im Interesse eines Staates liegt, kann es letztlich bloß in Staatsfreiräumen gedeihen. Auch das Forschungsprojekt von Daniel Goldhagen zu "Hitlers willigen Helfern" wäre wohl an einer deutschen Universität auf größere Schwierigkeiten gestoßen. Wahre Demokratie braucht Freiheit,
wenn sie mehr als der subtile Verwalter von Interessen sein will, dies
heißt wenn ihr die Entwicklung des wahren, ganzen Menschen am Herzen
liegt. |
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