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Der Buddha
und die Natur
Angesichts des zunehmend bedrohten ökologischen
Gleichgewichts des Systems "Erde" ist die menschliche Wiederversöhnung
mit den natürlichen Elementen das dringlichste Gebot der Stunde.
Was kann der im Abendland heute immer populärer werdende Buddhismus
dazu beitragen? Besonders seine "ökologische Ethik" und
die hier noch wenig bekannte Lehre von den vier "Großen Elementen".
Die Indologie betrachtet diese Lehre als zum ältesten Bestand der
Botschaft des Erwachten gehörig. Im Theravâda ("Lehre der Ältesten"), der heute in Südoastasien und auf Sri Lanka maßgeblichen Form des Buddhismus, sind die vier "Großen Elemente" reine Spürqualitäten. Alleine unser Körpersinn (Spür- und Geschmacksorgan) kann sie wahrnehmen, nicht Auge, Ohr, Nase oder Denkorgan. Sie "sind" das Feste, Widerstandbietende und unterschiedliches Gewicht Aufweisende "Erde", das Flüssige, flexibel Zusammenbindende und sichtbare Konturen Gebende "Wasser", das Erhitzende, Temperierte, Energiegebende und Aufzehrende "Feuer", sowie das Bewegte "Wind". Dies ist eine Hauptmeditation des "Erwachten" (Buddha), die alles Körperliche und die ganze Welt befreiend als ein letztlich ungetrenntes, verwobenes Netz offenbart. Dieses Netz aller Dinge ist frei von "Selbst"- oder "Mein"-haftem, das im eigenen "Ich"-Glauben nach außen projeziert wird. Die Großen Elemente "sind" gleichsam alles Materielle auf der Ebene unseres direkten Körperempfindens. Aus Sicht der buddhistischen Lehre ist Materie in Wahrheit nichts "Ding"-haftes, wie es dem fixierenden (Nicht-)Sehen des "Selbst"(-losen) erscheint. Die Kontemplation der natürlichen Elemente ist die wichtigste Genügsamkeit. Denn ihr genügt vollkommen die bare Essenz der erfahrbaren Welt, deren (wahre) Natur. Daneben braucht sie nichts. Der politische und ökologische Auftakt des 21. Jahrhunderts ist nicht hoffnungserweckend. Man vergegenwärtige sich lediglich die gewaltsamen Konflikte und ökologischen Katastrophen seit dem Jahr 2000; und von 1950 bis 2000 haben sich die sogenannten "Naturkatastrophen" weltweit mehr als vervierfacht. Die Kurve ihrer Häufigkeit steigt durch die Mitweltverschmutzung infolge des immensen Verbrauches der hochindustrialisierten Nationen und der "nachziehenden" Länder zunehmend an: 2000 gab es auf der Erde 850 Naturkatastrophen, 1999 750 und im Mittel der Neunziger 650. Seit den 60ern sind die volkswirtschaftlichen Schäden um das Neunfache gestiegen. Die treibhausgasbedingte Klimaerwärmung hat die 90er auch zum wärmsten Jahrzehnt des letzten Jahrtausends gemacht. Ein paar Schlagzeilen bloß vom August 2002 lauteten: "Jahrhundertflut in Deutschland", "Große Flut in Südfrankreich", "Waldbrände in den USA schlimmer als im Rekordjahr 2000, seit Januar wurden hier fast 2,5 Millionen Hektar Wald Opfer der Flammen", "über 10 Millionen Menschen in China vom Hochwasser bedroht, 700 000 mussten bereits evakuiert werden, 1 Millionen Helfer sind im Einsatz", "Brandrodungen auf Borneo und Sumatra geraten außer Kontrolle, der Smog zieht bis nach Thailand und Malaysia", "Moskau durch Waldbrände infolge der großen Trockenheit im Rauch", "Taifun Rosa verursacht in Korea Schäden dort bislang ungekannten Ausmaßes". Im Sommer 2003 mit seiner lang andauernden großen Hitzewelle im Westen waren die Meldungen ähnlich katastrophal: "Insgesamt 2150 Quadrakilometer Wald fielen in Portugal den Flammen zum Opfer, ein Gebiet von der Größe Luxemburgs", "in Kanada lodern 350 Brände", oder "im waldreichen US-Bundesstaat Montana sind 80 000 Hektar Wald abgebrannt". In der heutigen Zeit, wo primär durch menschliches Verhalten die natürlichen Elemente des Planeten immer bedrohlicher aus dem Gleichgewicht geraten, ist die wenig bekannte, doch zentrale Elementenlehre des Erwachten eine potentiell machtvolle Gegenkraft. Sie könnte, in dem Maße, wie der Buddhismus im Westen an Popularität gewinnt, klar zur Wiederversöhnung und inneren Vereinigung mit der Natur beitragen. Diese für den frühen Buddhismus charakteristische Elementenlehre wird hier in Form einer geleiteten Kontemplation gebracht:
Element Wind oder Luft: Sei Dir zuerst des Ein- und Ausatmens bewusst. Wenn wir uns mit dem Atmen verbinden, werden wir mit dem Element "Luft" intim vertraut, als die Spürqualität des "Bewegten". Spüre diesen Naturprozess des Ein- und Ausatmens mit allen ihn begleitenden Empfindungen im ganzen Körper bis in die Enden der Gliedmaßen hinein. Kontempliere, wie sich das Element "Wind" oder "Luft" als die reine Spürqualität des Bewegtseins überall im Körper manifestiert: Jede äußere Bewegung des Körpers oder eines seiner Gliedmaßen wird über die Qualität des "Bewegten" unmittelbar spürbar. Diese Qualität ist nicht zu sehen, sondern bloß zu spüren. Denn was gesehen wird, sind immer nur Farben und Formen. Auch jede innere Organtätigkeit ist mit Bewegung verbunden, die subtil spürbar werden kann. Die Kommentare zu Buddhas Reden erklären etwa dessen Aussage "aufsteigende Winde" als die Funktionen des Erbrechens oder Schluckens; "absteigende Winde" als die Kräfte, welche den Kot oder den Urin aus dem Körper heraustreiben; "Winde des Magens und des Darmes" als alle verdauenden Organbewegungen; sowie "alle Glieder durchströmende Winde" als die Blutbewegungen und Nervenimpulse im Blutgefäß- und Nervensystem des Körpers. Primär manifestiert sich das Element "Wind" als das Ein- und Ausatmen. Denn dieses ist das ganz elementare "Bewegte", das mit dem Sauerstoff allen Körperbewegungen zugrundeliegt. Deshalb gilt laut Buddhas "Rede vom Bewussten Ein- und Ausatmen" Ânâpânasatisutta (Mittlere Sammlung 118) das Bewusste Atmen auch als ein vollständiger Befreiungsweg. (Die Indologie betrachtet den hier zitierten "Pali-Kanon" des frühen Buddhismus Theravâda mit den ältesten vollständig überlieferten Redensammlungen des Buddha als die authoritativste Quelle zu dessen Lehre. Übersetzungen: Pali-Kanon; bevorzugte Übersetzungen: www.accesstoinsight.org.) Kontempliere weiter, wie uns all diese Bewegungen als "unpersönliche" Manifestationen des Windelementes mit allen Bewegungen der Natur intimst verbinden. Die Bewegungen der rauschenden Bäume, des sich kräuselnden Wassers, der dahinziehenden Wolken oder der wehenden Weizenfelder, die Bewegungen von Tieren und Menschen oder der von Menschen gemachten Dinge sind "reine" Manifestationen des Windelementes; so wie auch all jene äußeren und inneren Bewegungen des Körpers. "Wir" sind von identischer elementarer "Substanz". Im Verstehen dieses "Nicht-(getrennten)Selbst" Anattâ offenbart sich unser wahres, d.h. natürliches Wesen.
Element Erde: Kontempliere weiter, wie sich das Element Erde als die reine Spürqualität des Festen, Widerstandbietenden oder Gewichtigen überall im Körper manifestiert; nämlich in allen sichtbaren Körperteilen und unsichtbaren Organen mit ihren unterschiedlichen Graden von Härte oder Starre bzw. Geschmeidigkeit oder Weichheit. Auch all dasjenige, was als variierendes Gewicht empfunden wird, ist Manifestation des Erdelementes. Außerdem wird dieses Element in manchen Texten auch als das Element der sichtbaren Ausdehnung bzw. der gebetteten Materie beschrieben. Kontempliere weiter, wie uns all dieses Feste, Widerstandbietende, unterschiedliches Gewicht Aufweisende und sichtbar Ausgedehnte oder materiell Gebettete als "unpersönliche" Manifestationen des Erdelementes mit allem Festen, Widerstandbietenden, unterschiedliches Gewicht Aufweisenden und sichtbar Ausgedehnten oder materiell Gebetteten der Natur intimst verbinden. Alles, was sich "von dort" unserem Körpersinn (Spüren und Schmecken) als Festes oder Weiches und als Schweres oder Leichtes übermittelt, sowie gleichermaßen alles, was unserem Augensinn "Widerstand" bietet (das mit Form und Farbe sichtbar Ausgedehnte) ist "reine" Manifestation des Erdelementes; so wie auch all jene äußeren Teile und inneren Organe unseres eigenen Körpers. "Wir" sind von identischer elementarer "Substanz". Im Verstehen dieses "Nicht-(getrennten)Selbst" Anattâ offenbart sich unser wahres, d.h. natürliches Wesen.
Erläuterung der Meditation: Der Buddha bringt auch ein Gleichnis zu den natürlichen Elementen: "Gleichwie ein geschickter Rinderschlächter, nachdem er eine Kuh geschlachtet und in Stücke zerlegt hat, sich am Kreuzungspunkt von vier Strassen niedersetzt, so betrachte der Praktizierende diesen Körper in dessen jeweiliger Stellung und Haltung gemäß den vier Großen Elementen: 'Hier wirkt im Körper das Erdelement, hier das Wasserelement, hier das Feuerelement und hier das Luftelement.'" Der Erwachte erklärt, dass im Schlächter die Vorstellung "Kuh" bloß solange besteht, wie er sie noch nicht in deren Grundelemente zerlegt hat. Ähnlich würden wir die Vorstellung "Selbst" zu unserem Körper bloß solange hegen, wie wir uns dessen letztliches "Überallsein" als die Vier Elemente noch nicht vergegenwärtigt haben. Das Festhalten am "Selbst" und "Mein" aus unserem grundlegenden Durst und Ergreifen bringt die leidschaffenden Fixierungen hervor. Die Elementemeditation will die "Selbst"-Vorstellung auflösen, indem sie unser Nichtgetrenntsein im zutiefst verwobenen Spiel der natürlichen Vier Großen Elemente befreiend offenbart. Jede frühbuddhistische Meditation will mit dem "wahren Wesen" der Dinge, nämlich den Drei Daseinsmerkmalen "Flusshafte Vergänglichkeit, letztliche Nichttragfähigkeit bzw. das Nicht-Selbst "Anattâ" aller Dinge, befreiend vertrautmachen. Denn dadurch wird allmählich unsere unbewusste "Gegensicht" der Erscheinungen als verlässlich-konstant, konkret-stabil bzw. ein "Selbst" oder "Ding"-haft (als an sich anziehend) aufgelöst und weicht der wirklichkeitsgemäßen Sicht. Damit schwinden die Bezugspunkte wollender oder ablehnender Fixierung, mithin das innere wie äußere Leiden. Die Elementemeditation offenbart die Drei Daseinsmerkmale, indem sie die dynamisch fließenden, in sich verwobenen, sich wechselseitig oder das All durchdringenden Grundströmungen alles Materiellen aufzeigt. Diese Intention aller frühbudddhistischen Meditationsformen (das Sehen der Drei Daseinsmerkmale) zeigt etwa der Refrain der primären Meditationsrede des Erwachten von den "Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit" Satipatthâna-Sutta (Mittlere Sammlung 10). Dieser Refrain erscheint nach jeder der in dieser Rede beschriebenen Praxisformen, wozu die Elementemeditation gehört. Darin werden die Stufen der befreienden Schau geschildert, wie sie mit Trefflicher Achtsamkeit verwirklicht werden. Der auffordernde Ton soll zum Hinsehen oder durchdringenden Wahrheitsschau ermutigen. Das wiederholte "oder" deutet an, dass es hier um eine spontane Entwicklung der inneren Praxis geht, wie sie sich natürlich ergibt: "Auf diese Weise bleibt der Praktizierende in eingehender Betrachtung des Körperlichen im Körperlichen verankert - nach innen oder nach außen oder sowohl nach innen als auch nach außen. Oder er bleibt im Betrachten der Entstehensprozesse, der Vergehensprozesse oder der Entstehens- und Vergehensprozesse im Körperlichen verankert. Oder es geht ihm die Vergegenwärtigung dieser Tatsache auf: 'Es wirkt hier das Körperliche'. Dafür kultiviert er eine behutsam umgrenzte Achtsamkeit. Und dies tut er genau in dem Maße, wie sie diesem intuitiven Wissen (dass nämlich nichts darüberhinaus existiert, d.h. kein 'Ich' oder 'Mein') oder dieser eingehenden Achtsamkeit dient. Auf diese Weise bleibt er unabhängig verankert und hängt an letztlich nichts in der Welt mehr fest." Die Definition der Achtsamkeit, die für diese Befreiung zu praktizieren ist: "Bleibt fortwährend verankert in eingehender Betrachtung des Körperlichen im Körperlichen: Entschlossen, klar wissend und achtsam gegenwärtig, nachdem Verlangen und Bekümmern hinsichtlich der Welt abgelegt worden sind. Das Gleiche gilt für die Empfindungen (bzw. Gefühlsreaktionen), Geistesqualitäten sowie Natürlichen Wahrheiten." Dies sind jene "Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit" des Erwachten.
Element Wasser: Kontempliere, wie sich das Element Wasser als die "reine" Spürqualität des Flüssigen, flexibel Zusammenhaltenden und Konturen Aufweisenden überall im Körper manifestiert. Es "ist" alles Fließende im Körper (die Körperflüssigkeiten Galle, Schleim, Blut, Eiter, Schweiß, Gewebefett, Tränen, Gelenköl, Speichel, Rotz und Urin), das Verbindende, das alle äußeren Körperteile und inneren Organe zu flexiblen Gestalten formt, sowie das, wodurch erst jede Form ihre Konturen bekommt. Ohne Wasser wäre jede Form spröde und bewegungsunfähig. Sie würde auseinander fallen oder könnte gar keine Funktion ausüben. Denn jede Funktion setzt ja flexible Zusammmenbindung voraus, das Element "Wasser". Der Körper besteht auch zum größten Teil aus Wasser, entgegen allem Anschein. Kontempliere weiter, wie uns all dieses Flüssige, Verbindende bzw. geschmeidig Zusammenhaltende und deutliche Konturen Gebende als "unpersönliche" Manifestationen des Wasserelementes mit allem Flüssigen, Verbindenden bzw. geschmeidig Zusammenhaltenden und deutliche Konturen Gebenden der Natur intimst verbinden. Alles, was sich "von dort" unserem Körpersinn als Flüssiges, flexibel Zusammenhaltendes und deutliche Konturen Habendes direkt übermittelt, ist "reine" Manifestation des Wasserelementes; so wie auch unsere Körperflüssigkeiten, das flexibel Zusammenhaltende und das deutliche Konturen Habende der äußeren Körperteile und inneren Organe. "Wir" sind von identischer elementarer "Substanz". Im Verstehen dieses "Nicht-(getrennten)Selbst" Anattâ offenbart sich unser wahres, d.h. natürliches Wesen.
Element Feuer: Kontempliere schließlich, wie sich das Element Feuer als die bloße Spürqualität des Temperierten (heiß, warm, kühl bis kalt) überall im Körper manifestiert. Dieses Element umfasst auch die Einzelqualitäten dessen, was die Nahrung verbrennt und alles Körperliche mit Energie versorgt oder heranreifen lässt. Die Kommentare zu Buddhas Reden erklären etwa dessen Aussage "wodurch man erhitzt wird" als das, wodurch der Körper in Glut gerät, zum Beispiel das Fieber; "wodurch man verzehrt wird" als das, wodurch der Körper aufgezehrt wird, es etwa zu Kräfteverfall, Runzeligkeit oder grauem Haar kommt; "wovon man durchglüht wird" als die Hitze des Körpers bei verlangender Erregung oder Wut; sowie "wodurch das, was man gegessen, getrunken, gekaut und geschmeckt hat, zur vollen Verdauung gelangt". Der ganze Stoffwechsel beruht auf dem Element Feuer. Kontempliere weiter, wie uns all dieses Temperierte, Verdauende, zur Reife Bringende oder Aufzehrende und Abnutzende als "unpersönliche" Manifestationen des Feuerelementes mit allem Temperierten, Verdauenden, zur Reife Bringenden oder Aufzehrenden und Abnutzenden der natürlichen Mitwelt intimst verbinden. Alles, was sich "von dort" unserem Körpersinn als Heißes, Warmes oder Kühles, Vitalisierendes oder Abnutzendes direkt übermittelt, ist "reine" Manifestation des Feuerelementes; so wie auch all jene Funktionen unseres eigenen Körpers. "Wir" sind von identischer elementarer "Substanz". Im Verstehen dieses "Nicht-(getrennten)Selbst" Anattâ offenbart sich unser wahres, d.h. natürliches Wesen.
Praxisempfehlung: Die "Vier Elemente" bedeuten also reine Spürqualitäten, die alles Materielle (im Körper oder in der natürlichen Mitwelt) auf der Ebene unseres unmittelbaren Körperempfindens "sind". Fülle die angeleiteten Kontemplationen zu der Vier Großen Elementen (vor allem in der freien Natur) mit eigenen Beispielen, um zunehmend zum sehenden Gefühl des intimen Verwobenseins mit der natürlichen Mitwelt zu gelangen. Hier liegt die Befreiung von der alles trennenden, konventionell fixierten Sicht des "Selbst", "Mein" oder ein "Ding". Die Elementemeditation ist besonders gut zur Erweiterung in den Alltag geeignet. Betrachte etwa auf einem Spaziergang am Morgen am See, wie sich die Vier Elemente um dich und in deinem Körper als letztlich identisch offenbaren, bis die unbewussten Schranken von "außen" und "innen" weichen. Bei dieser Meditation kann man sich auch auf ein Element beschränken. Konzentriere dich auf die Betrachtung eines Elementes, wie es sich um dich und in deinem Körper unmittelbar, dies heißt konzeptfrei übermittelt. Mache einmal die Meditation des "Körperhineinkommens", indem du bei der sukzessiven Betrachtung der unterschiedlichen Empfindungsflüsse in den verschiedenen Körperregionen ebenfalls die Betrachtung der natürlichen Vier Großen Elemente berücksichtigst. Denn alle Empfindungsgebiete und Spannungsfelder im Körper weisen eine Dominanz des einen oder des anderen Elementes auf. So kann es hier etwa stechende, heiße Empfindungen (Feuer), schwere, verdichtete Empfindungen (Erde), fließende, freie Empfindungen (Wasser) oder sich im Verlaufe der Betrachtung wandelnde und auflösende Empfindungen (Wind) geben.
Beim Essen und Trinken: Nimm etwa den Akt des Aufnehmens der Tasse, des Heranführens an den Mund und des Trinkens: Das Berühren der Tasse ist "Festes", das Hochheben und Heranführen an den Mund "Bewegtes" (die Bewegung des Armstreckens, des Greifens mit den Fingern, sowie des Hochhebens und Armbeugens beim Heranführen), die Berührung von Lippen und Tasse wiederum "Festes" und das Ankippen der Tasse zum Trinken "Bewegtes". Die Spürqualitäten des "Flüssigen" und "Temperierten" werden manifest, sobald sich Tasseninhalt, Lippen und Mundinneres berühren. Welche Arten von Widerstand (Erde) bietet die unterschiedlich feste Nahrung den Zähnen? Spüre den Speichel (Wasser), wie er mit dem beim Kauen abnehmend Widerständigen im Mund vermengt wird, oder auch das Getränk (Wasser). Spüre alle Temperaturen (Feuer) der Nahrungsbestandteile und des Getränkes. Beachte ebenfalls alle Bewegungen (Wind) als direkte Spürqualitäten, wodurch sich Arme, Handgelenke, Hände, Finger, Lippen, Zähne, Kopf und Rumpf innerlich übermitteln. So gelange zunehmend auf die Spürebene, wo die Drei Daseinsmerkmale tief befreiend verstanden werden können. Die Spürebene ist frei von visueller Fixierung, womit die "Dinge" leicht verfestigt werden, ihren fortwährenden Fluss ignorierend. Im Satipatthâna-Sutta sind Anblicke, Geräusche, Gerüche und Gedanken auch nicht als Betrachtungsinhalte angeführt. Bei der vierten Vergegenwärtigung geht es an einer Stelle nur um die geistigen "Fesseln" (Inneren Zwänge), die im Zusammenwirken jedes Sinnesbewussteins und Sinnesorgans mit den Eindrücken entstehen können.
Der buddhistische Lehrmeister Natur: Im Buddhismus hat die Natur im Sinne der äußeren, freien Natur oder Wildnis und im Sinne dessen, wie sie sich im Körper oder Geist offenbart die zentrale heilsvermittelnde Funktion. Sie gilt hier als der wachrufende Lehrmeister der im Herzgeist befreienden "Drei Daseinsmerkmale": Alles ist im ständigen Fluss, bietet keinen Stand, sondern ist das Nicht-Selbst. So kann etwa im Zen und im frühen Buddhismus das Erwachen zu dieser "(wahren) Natur (aller Dinge)" bei verwelkenden Blättern, prasselndem Regen oder schreienden Krähen stattfinden. Sie gelten als spontane "Intuitionstore" zum steten Fluss der Dinge in Allungreifbarkeit. Im Zen betont die Dichtung und Zeichenkunst diese "Offenbarung" des höchsten Wesens in der Natur. Auch haben die buddhistischen Meister aller Traditionen immer wieder lange in der freien Natur meditiert. Es gibt berühmte "Naturmeister" wie die thailändischen Meister Ajahn Chah und Ajahn Buddhadâsa, die einflussreichsten Meister in der Geschichte Thailands. Ajahn Chah zog viele Jahre wandernd durch die Natur, aus der er seine tiefen Lehrgleichnisse unmittelbar schöpft. Alleine in Thailand folgen seinem Ansatz rund 400 Klöster, und es gibt einen einflussreichen westlichen Ordensableger dieser Tradition. Ajahn Budhdadâsa (Sklave des Buddha) hat einen Hauptansatz der Achtsamkeits- oder Einsichtspraxis "Vipassanâ" (Höheres Sehen) begründet: Die "Natur-Methode oder die Leerheit aller Dinge" (vgl. zu beiden mein Kursbuch Vipassanâ). Eine Praxisanweisung des Buddha an die Ordinierten erscheint in seinen Reden im ältesten "Pali-Kanon" des frühen Buddhismus "Theravâda" häufig: "Dann setzt sich der Bhikkhu nieder, nachdem er sich in den Wald, an den Fuße eines Baumes oder in eine leere Hütte begeben hat. Er verschränkt seine Beine, hält den Körper aufrecht und macht sich die Achtsamkeit gegenwärtig: Ungeteilt achtsam atmet er ein, ungeteilt achtsam atmet er aus." Die Meditation der natürlichen "Vier Großen Elemente" Wind bzw. Luft, Erde, Wasser und Feuer, des "Bewussten Ein- und Ausatmens", und generell die "Treffliche Achtsamkeit" auf das letztlich ungreifbare, weil "Selbst"-lose Flussgeschehen alles Körperlichen und Geistigen in wie um uns sind die frühbuddhistische Hauptpraxisformen. Die buddhistische "ökologische Ethik" ergibt sich aus dem unbedingten Gebot, dem Menschen den notwendigen inneren "Lehrmeister" der Natur zu bewahren. Doch nicht bloß um des spirituellen, auch um des körperlichen Heils der Menschen willen ist hier die Natur zu schützen. Bereits der Bericht zu den Lebensstationen des Erwachten verweist auf dessen Naturnähe: Er wurde im nordindischen Lumbinî unter einem Baum geboren, fand in Bodh Gayâ unter einem Feigenbaum in Meditation das volle Erwachen, hielt in Sârnâth in einem Hirschpark seine erste Rede und führte hier auch seine ersten Schüler zum Erwachen. Danach zog er 45 Jahre mit der Urgemeinde den größten Teil des Jahres wandernd im engen Kontakt mit der Natur und der Bevölkerung durch Nordindien. Er verbrachte die restliche Jahreszeit in von Gönnern gespendeten Hainen oder Parks. Er ist in Kushinagara inmitten einer trauernden Schar von Menschen und Waldtieren in einem Hain aus Sal-Bäumen entschlafen. Auch die primären buddhistischen Feiertage, die mit der Ausformung der Lehre des Erwachten in eine Weltreligion entstanden sind, bringen die große Naturnähe zum Ausdruck: Die vier monatlichen Mondwendtage "Uposatha" und einmal im Jahr der Vollmondtag im Mai "Vesakh", der als Tag von Buddhas Geburt und Erwachen gilt, haben die Naturkraft des Mondes zum Ausgangspunkt (an den Mondwendtagen gilt die Atmosphäre für die innere Praxis als besonders förderlich). Hier liegt kein Gebot eines Gottes wie beim christlichen Sonntag oder jüdischen Sabbath zugrunde. Das zentrale buddhistische Symbol ist die Lotusblüte. Ein Erwachender "ist in der Welt, aber nicht von ihr", so wie die Lotusblüte im Schlamm wurzelnd sich davon ernährt, doch in Schönheit und großem Duft darüber steht. Eine weitere Quelle der ökologischen Ethik im Buddhismus ist, dass sie nicht wie die monotheistischen Ethiken auf den Menschen beschränkt ist. Die buddhistische Ethik umfasst ebenfalls die Tiere. Das damit geforderte Mitgefühl auch mit den Tieren schließt die Bewahrung deren jeweiliger Biotope mit ein. So sind etwa explizit Tiere schädigende Berufe vom Glied "Trefflicher Lebenserwerb" des "Achtfachen Befreiungspfades", der vom Buddha bereits mit seiner ersten Lehrrede betont worden ist, ausgeschlossen. Die ersten Reiseberichte zu Tibet schildern handzahme Wildtiere, die dort offenkundig die Menschen nie wirklich zu fürchten hatten. Erst unter den kommunistischen Chinesen begann ein radikaler Raubbau an der tibetischen Natur. Oder das buddhistische Sri Lanka hat im Verhältnis zu seiner Größe den weltweit mit höchsten Anteil an Naturreservaten. Eine authentische Ethik beruht auf dem Verstehen der Wesensidentität aller Geschöpfe in deren Verletzlichkeit bzw. Empfindungen: Der eigene Wunsch nach Wohlsein gilt für alle Lebewesen. Genau deshalb gelten in Buddhas Lehre ethische Qualitäten letztlich nicht als teilbar in dem Sinne, dass sie sich zwar auf die eine Art empfindender Lebewesen beziehen sollen (Menschen), während sie die andere (Tiere) unbeachtet lassen. Ethik muss mitfühlend das verletzliche, empfindende und nach Leben dürstende Leben als Ganzes umfassen, wenn sie tatsächlich das Leiden im fühlenden Leben sieht oder mitempfindet. Sonst kann sie nicht tief authentisch sein. Wie weit das in der Praxis einer 2500-jährigen Geschichte immer umgesetzt wurde, ist eine andere Frage. Aber so ist die buddhistische Ethik angelegt. Die Geschichte belegt vielfach relativ gute Beherzigung. Zum Abschluss sollen hier einige Verse zu der voll authentischen Ethik des Erwachten erscheinen. Sie sind vom altindischen Meister Shântideva (7.-8. Jh.), dem Vater des Mahâyâna-Ideals vom selbstlosen Weltbefreier "Bodhisattva" (in eigener Neuübersetzung): "Es gibt hier keinen Zweifel: Die Bodhisattvas haben die Welt zu ihrem Selbst gemacht, das restlos zum Mitgefühl geworden ist. So haben sie ihr eigenes Zuhause im Körper aller Lebewesen gefunden. Wie könnten einem die Lebewesen jetzt noch gleichgültig sein? Die anderen Lebewesen sind zu behüten, wie ich mich selbst behüte. Denn wir mögen zwar alle Glück und Leid unterschiedlich sehen, aber wir erfahren es doch immer in der gleichen Weise als angenehm und unangenehm. Unser Körper gilt uns als eine Einheit "Körper" oder im Ganzen als schutzbedürftig, obwohl er in Glieder unterteilt vielgestaltig erscheint. In ähnlicher Weise sollte uns ebenso diese ganze Welt als eine Einheit "Welt" gelten oder im Ganzen als schutzbedürftig, obwohl sie dem Anschein nach mit all ihren Geschöpfen vielgestaltig wirkt. Denn in ihrem Grunde ist die ganze Welt ja so beschaffen, dass das von allen identisch empfundene Glück und Leid letztlich auch nicht aufzutrennen ist. Obwohl mein Leid in den anderen keinen unmittelbaren Schmerz bedeutet, ist es für mich sehr wohl Leiden und aus Selbstliebe bloß schwer zu ertragen. Obwohl das Leid der anderen in mir keinen unmittelbaren Schmerz bedeutet, ist es für die anderen sehr wohl Leiden und aus Selbstliebe bloß schwer zu ertragen. So sollte ich das Leid der anderen überwinden helfen, weil es für sie Leiden bedeutet, wie mein Leid für mich Leiden bedeutet. So sollte ich den anderen beistehen, weil sie verwundbare Wesen sind, wie ich es bin. Wenn Leid mir genauso zuwider ist, wie allen anderen: Was ist dann noch der Unterschied des eigenen Selbstes, der es rechtfertigte, dass ich bloß dieses beschütze? Wenn Glück mir soviel bedeutet, wie allen anderen: Was ist dann noch der Unterschied des eigenen Selbst, der es rechtfertigte, dass sich mein Streben nach Glück bloß auf dieses bezieht?" Shântideva im Eintritt in den Wandel zum Erwachen,
achtes Kapitel, darin der Teil zur "Gleichheit und Austauschung
von Selbst und anderen". (Eine gute Übersetzung des gesamten Werkes
ist von Crosby, Kate, und Skilton, Andrew: Shântideva, the Bodhicharyâvatâra,
a new translation, Oxford World's Classics, Oxford University Press,
1995.) |
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