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Berührung
und Bewusstheit:
Der kaum des Lesens kundige Begründer dieses Vipassanâ-Ansatzes belegt mit seiner ganzen Person bzw. Lebensgeschichte, wie sich die befreiende Vipassanâ-Schau auch unabhängig von Textstudien entfalten kann und von rein intuitiver Art ist. Damit "widerspricht" Sunlun Sayadaw der Vorrangposition der Scholastik "Abhidhamma" in Burma, dies heißt dem dritten Korb des frühbuddhistischen Pali-Kanons nach den Lehrreden und der Ordensdisziplin des Erwachten (vgl. die Einleitung "Der Dharma" von der Hauptseite der Homepage). Burmesische Abhidhammikas gehen sogar davon aus, dass die Achtsamkeits- oder Einsichtspraxis Vipassanâ ohne Kenntnisse des Abhidhamma nicht zu verwirklichen sei. So widersprechen sie nicht nur dem Buddha mit dessen tatsächlichen Lehrreden "Suttas", sondern ebenfalls anderen Vipassanâ-Ansätzen besonders in Thailand oder, wie hier, auch in Burma. Obwohl Sunlun Sayadaw (1878-1952)
einer der meistverehrten buddhistischen Meditationsmeister seiner Heimat
ist, war er ein einfacher Bauer. Er ist alleine durch seine Praxis und
intuitive, befreiende Einsicht im ganzen Land berühmt geworden.
Schließlich besuchten ihn viele Mönche und Gelehrte zum Zwecke
von Unterweisungen oder auf die Lehre bezogenen Gesprächen. Im
Falle von abweichenden Auffassungen ergab die nähere Konsultation
der Quellen im Pali-Kanon im allgemeinen, dass Sunlun Sayadaw richtig
lag, obwohl er Buddhas Reden nicht studiert hatte. Zahlreiche Zentren
in Burma folgen der Linie seines Ansatz des Vipassanâ (Höheres
Sehen). Im folgenden erscheint nun das genannte Meditationsmanual dieses
Intuitionsmeisters ("der Praktizierende" oder "er"
bedeutet "der praktizierende Mensch"):
Einleitende Widmung: Mit Hochachtung für den Buddha
und das Erwachen des Nirvâna,
Resümee der Methode: Mit diesen drei Zeilen ist die ganze Sunlun-Methode beschrieben: Berührung und Bewusstheit,
halte diese beiden kontinuierlich im Gespür.
Die Praxis des Atmens: Wähle einen geeigneten Platz,
setze Dich aufrecht hin Ohne Geräuschen nachzugehen, Unter allen Öffnungen des Körpers Je tiefer oder kräftiger das
Ein- und Ausatmen wird, In dieser Weise praktiziere kontinuierlich.
Das Wissen im Empfinden selber: Der Praktizierende beendet nun jene
bewusst kräftigere Art Jetzt wird er sich aller momentanen
Empfindungen bewusst, Es ist leicht gesagt, doch in der
Praxis bedeutet dies noch etwas anderes. Das große Schlüsselwort zum Verstehen der ganzen Praxis lautet: "Mache dir jede Körperempfindung
lediglich oder genau Ob es sich um ein Gefühl von
Schmerz, Krampf, Taubheit, Mache dir auf diese Weise bewusst,
was auch immer gerade geschieht; Erspüre es alles lediglich
oder genau so, wie es ist. Beherzige einfach:
Über das Empfinden hinaus: Auf diese Weise betrachte mit wachsender
Intuition Dann wird schließlich der
Zeitpunkt kommen, Nun wirken Verlangen, Ärger,
Unruhe, Ängste Dies ist eine sehr hohe Verwirklichung. Alles weitere hat bloß noch
mit dem natürlichen Wachstum Mögen alle Wesen Frieden finden zurück zum Top
Eigenes Resümee für die praktische Meditation Sunlun Sayadaw nennt drei Meditationsgebiete, zunächst die formlose Meditation: Erstes Gebiet: "Wo auch immer eine Berührung stattfindet, dort sei deine ganze Bewusstheit." Diese Aussage bezieht sich auf die allgegenwärtigen Empfindungen, wodurch jede Position, jede Bewegung und jeder Körperbereich, der mit der Umgebung (Boden, Unterlage, Kleidung und Gegenstände), anderen Körperstellen, der Luft, Flüssigkeit oder Temperatur in Kontakt ist, potentiell ungetrennt bzw. nahtlos spürbar werden kann. Diese "Meditation der Berührung" lässt sich auch gut dahingehend erweitern, dass die "Vier Elemente" Erde, Wasser, Feuer und Luft oder Wind miteinbezogen werden. Im Buddhismus bedeuten sie die reinen Spürqualitäten des Gewichtigen, Festen, Widerständigen oder Sichtbaren "Erde"; Flüssigen, flexibel Zusammenbindenden oder Konturengebenden "Wasser"; Temperierten, Energiegegebenden oder Aufzehrenden "Feuer"; sowie Bewegten "Luft oder Wind". Die Vier Elemente "sind" alles Materielle auf der Ebene unseres direkten Körperempfindens. Es lassen sich hier auch gut die Atemempfindungen, wie sie subtil im ganzen Körper verzweigt wirken, miteinbeziehen. So kommt das Atmen ganz "ins Gespür". Auch die Geschmacksqualitäten gehören zu den Körperempfindungen. Diese Meditation lässt in den sich ständig wandelnden Augenblicken, wie sie sich gerade anfühlen, bzw. bei sich selbst "ankommen". Damit wird das innere Auge für den letztlich (be)freien(den) Fluss der Sinneserscheinungen geöffnet. Für diese allgemeine, dies heißt in der formalen Sitzung wie unabhängig davon mögliche Praxis ist stets Sunlun Sayadaws Wort zu beherzigen, dass begriffsfrei, intuitiv oder direkt zu betrachten sei, "bis bloß noch das bare Wissen im Empfinden selber zurückbleibt".
Die zweiteilige formale Meditation: Zweites Gebiet: Die fokussierte Atembetrachtung im eng begrenzten Gebiet "um die Nasenlöcher herum" in möglichst voller Bewusstheit des Spürens der ein- und ausziehenden Luft. Das Atmen kann zunächst etwas länger oder kräftiger erfolgen, was das Bewusstwerden erleichtert. Die Hauptanweisung Sunlun Sayadaws an dieser Stelle lautet: "Praktiziere kontinuierlich. Gehe ganz im schlichten Bewusstwerden der Berührung des Ein- und Ausatmens auf, bis zum Ende der Sitzung." Diese vorbereitende Konzentrationsübung macht unsere Aufmerksamkeit "einspitzig", um die selbsttätigen Affekte, Gedanken oder Assoziationen aus der gewöhnlichen Unbewusstheit aufzulösen. Drittes Gebiet: Das möglichst unmittelbare, ungetrennte oder nichtdualistische Wahrnehmen der fließenden Körperempfindungen, deren sehendes Umschmiegen in ausfüllender, entlangfließender oder "hineinfindender" Betrachtung (Anupassanâ), also möglichst frei von Vorstellungen, Gedanken, Erinnerungen, Plänen und Assoziationen, "bis bloß noch das bare Wissen im Empfinden selber zurückbleibt". Mit "Körperempfindungen" ist hier all dasjenige gemeint, was spürbar "am" oder "im" Körperlichen vor sich geht. In der üblichen Distanz des Bewusstseins
von "Ich und Mein" (der letztlich illusionären Trennung
eines Subjektes "Ich" hier vom "Selbst" eines "Objektes"
dort) wird der leidvolle Schleier der selbsttätigen Affekte, Vorstellungen
und Gedanken gestrickt. Mit seiner Praxislehre einer direkt hineinfindenden,
befreienden Intuition will Sunlun Sayadaw diese innere Wunde der dualistischen,
weltspaltenden Wahrnehmung sanft schließen. |
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