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Die grundlegenden
Meditationslehren
Am Anfang und am Ende betont der
Buddha berühmt: "Dies ist der Direkte und Eine Weg zur Läuterung
der Lebewesen, zum Überwinden von Traurigkeit und Wehklagen, zum
Verschwinden von Leiden, Angst und Unzufriedenheit, zum Erlangen der
wahren Methode sowie zur Verwirklichung des Nirvâna, nämlich
die Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit." Sie sind alles
Körperliche, die Gefühlsreaktionen oder Empfindungen, die
Geistesqualitäten sowie die Natürliche Wahrheiten. In der Rede wird die Vergegenwärtigung der Achtsamkeit folgendermaßen definiert: "Bleibt fortwährend verankert in eingehender Betrachtung des Körperlichen im Körperlichen: Entschlossen, klar wissend und achtsam gegenwärtig, nachdem Verlangen und Bekümmern im Hinblick auf die Welt abgelegt worden sind." Das Gleiche gilt auch für die Empfindungen oder Gefühlsreaktionen, die Geistesqualitäten sowie die Natürlichen Wahrheiten. Diese ganze Praxis münde in die Befreiende, Höchste Schau der Drei Daseinsmerkmale "Alles ist im konstanten Fluss, kein Grund, um darauf zu stehen, sondern frei von 'Selbst' und 'Mein'". Konsequent durchgeführt, ohne sich ablenken zu lassen, könne die Praxis auch in kurzer Zeit zur Befreiung führen, wie der Erwachte zum Abschluss der Rede noch sagt. "Eingehendes Betrachten (Anupassanâ) des Körperlichen im Körperlichen" besagt, das man in das Betrachtete hineinkommen soll, um die Illusion von "Selbst" hier und "Objekt" dort aufzulösen. Das große Bindeglied der hier erläuterten Meditationsformen ist das sanft umschmiegende Gewahrwerden aller Empfindungen. Denn erst das Sehen ihrer fließenden Natur gestattete es, nicht mehr "blind" auf sie zu reagieren. Diese blinde Reaktion bedeuten die Inneren Zwänge (Gier, Hass, Neid, Eifersucht, Stolz, Aufgeregtheit, Trägheit usw.), die wesensgemäß "fixiert" auf "äußere Objekte" sind. So halten sie in dualistischer Sicht bzw. dem "Nichtsehen" (Avijjâ) gefangen. Diese Praxis lässt sich so resümieren: Betrachten, nicht reagieren, und das Nicht-Selbst befreiend erschauen. Mit dem holländischen Lehrer Dhammavîranâtha: "Die Achtsamkeit ist wie ein helles Licht, das auf einen Prozess geworfen wird, womit ihn die natürliche Weisheit sieht, wie er wirklich ist." Zu den Empfindungen, die in der Rede erwähnt sind, gehören: 1) Alle Qualitäten des Ein- und Ausatmens sowie die Atemempfindungen im ganzen Körper. 2) Die mit den Sinneskontakten ausgelösten, ihrem Wesen nach subjektiven oder im Körper "hochspringenden" Gefühlsreaktionen, die gewöhnlich unmerklich in unsere Affekte übergehen. 3) Damit verbundene Spannungsfelder im Gewebe (als Niederschläge der "Selbst"-und "Mein"-fixierten Reaktionen im Geiste). 4) Die Vier Elemente "Erde, Wasser, Feuer und Luft oder Wind" als reine Spürqualitäten: Gewichtiges, Festes, Widerständiges oder Sichtbares (Erde); Flüssiges, flexibel Zusammenbindendes oder Konturengebendes (Wasser); Temperiertes, Energiegegebendes oder Aufzehrendes (Feuer); sowie Bewegtes (Luft oder Wind). Sie "sind" alles Materielle auf der Ebene unseres unmittelbaren Körpergefühles, dies heißt nichts "Ding"-haftes, wie sie in der "Fixierung" des "Selbst" erscheinen müssen. 5) Die allgegenwärtigen Empfindungen, wodurch jede Position, jede Bewegung und jeder Körperbereich, der mit der Umgebung (Boden, Unterlage, Kleidung und Gegenstände), anderen Körperstellen, Luft, Flüssigkeiten oder Temperatur in Kontakt ist, im Grunde ganz ungetrennt (potentiell darin aufgehend) und somit "befreiend" spürbar werden kann. 6) Zu den Empfindungen zählen hier auch die Geschmäcker. 7) Auch die ständig wechselnden Geistesqualitäten (wie Geist als zerstreut und gesammelt, mit Ärger und ohne Ärger, mit Lust und ohne Lust usw.) sind hier als innere Zustände direkt zu "empfinden". Laut Buddha: "Alles, was im Geist geschieht, wird von Empfindungen im Körper begleitet." In der Rede kommen jedoch als Betrachtungsinhalte nicht vor: Gedanken, Geräusche und Anblicke (als der Flusswandel der Formen und Farben im konkret erfahrenen Sichtfeld). An einer Stelle, wo sie erwähnt sind, geht es in diesem Zusammenhang alleine um die durch sie ausgelösten "Fesseln" (bzw. Inneren Zwänge). Gedanken Geräusche und Anblicke sind im Vergleich zu den Empfindungen (das Geschehen auf der körperlichen Ebene) besonders flüchtige Phänomene. Am Ende kommt als das Geheimnis der Befreiung, diese in die Dinge hineinspürenden "Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit" kontinuierlich zu wahren, ohne sich davon ablenken zu lassen. Die modernen Vipassanâ-Lehrer haben auf Aspekten dieser inspirierend "offenen Methoden" des Erwachten aufgebaut, indem sie daraus technische oder natürliche Methoden entwickelt haben. Goenka etwa betrachtet alles im Körper als extrem subtile "Empfindungspunkte" (Kalâpas), die ständig "aufblitzen oder verbrennen". Mit einer höchst konzentrierten Systematik bezweckt er das Stadium eines alloffenen Flusses in befreiendem Sehen mit Gleichmut. Der burmesische Meister Sunlun Sayadaw (ein kaum lesekundiger Bauer, der in seiner Heimat alleine durch seine Praxis und intuitive Einsicht berühmt geworden ist) nennt als das Schlüsselwort des Vipassanâ: "Mache Dir jede Körperempfindung alleine so bewusst, wie sie ist, ohne Namen; bis nur noch das bare Wissen im Empfinden selber zurückbleibt." Ajahn Dhammadaro aus Thailand sieht als den Pfad zur tiefsten Befreiung, wenn allmählich alle Sinneserfahrungen als "Klare Empfindungen" hervortreten, welche "an der Herzbasis" entstehen und vergehen. Ajahn Lee Dhammadaro (ein anderer "Dhammadaro") lenkt die Aufmerksamkeit auf die Atemempfindungen im ganzen Körper. Er nennt als Geheimnis der inneren Befreiung: "Das Atmen im Gespür halten" (vgl. auch unten "Bewusstes Ein- und Ausatmen"). Die Vier Vergegenwärtigungen
werden von der ersten bis zur vierten Vergegenwärtigung immer subtiler.
Die erste Vergegenwärtigung "Körperliches" ist als
Anker für die Bewusstheit am geeignetsten, und Voraussetzung für
die subtileren Betrachtungen. Daniel Goleman, der amerikanische Autor
des Bestsellers Emotionale Intelligenz und ein langjähriger Vipassanâ-Praktizierender,
setzt die buddhistischen Achtsamkeit mit der Emotionalen Intelligenz
gleich. Diese bzw. die dritte Vergegenwärtigung "Geistesqualitäten"
ist ohne klare Verankerung im Körperlichen kaum zu kultivieren.
Doch jede der Vergegenwärtigungen gilt (je nach individueller Veranlagung)
auch als selbstständiger Befreiungsweg, welcher bis zur befreienden
Schau der Drei Daseinsmerkmale führen kann. 1) Das Bewusste Ein- und Ausatmen. Dabei wird die Länge oder Kürze jedes Atemzuges vergegenwärtigt, und letztlich alle Qualitäten der Atmung in deren wesensgemäßer Funktion als "Spiegel des Geistes". Auf dieser Basis entsteht die Fähigkeit: "In alles Körperliche rundherum hineinspürend, werde ich ein- und ausatmen". Schließlich ergibt sich daraus: "Alles Körpergeschehen stillend, werde ich ein- und ausatmen". 2) Das volle Gewahrwerden der gewöhnlichen Aktivitäten, nämlich des "Hin- und Zurückgehens, Hin- und Wegblickens, Streckens und Beugens der Gliedmaßen, Tragens der Kleidung, Trinkens, Essens, Kauens und Schmeckens, Ausscheidens, Gehens, Stehens, Sitzens, Einschlafens, Aufwachens, Sprechens und Schweigens". Dieses volle Gewahrwerden beinhaltet auch die "Wissensklarheit" (Sampajañña): Etwa warum man etwas tut, wie und wofür, ob es auch dem inneren Befreiungsweg dient. 3) Das geistige Zerlegen des physischen
Körpers in dessen Bestandteile, Organe und Flüssigkeiten:
"Hier durchsieht man den hautumschlossenen Körper von den
Fußsohlen aufwärts und den Haarspitzen abwärts: In diesem
Körper gibt es Kopf- und Körperhaaare, Nägel, Zähne,
Haut, Fleisch, Sehnen, Knochen" usw.. Der Erwachte vergleicht dieses
geistige Zerlegen mit dem Durchsehen eines korngefüllten Sackes
voller "Hülsenreis, Sesamkörner, Hirse usw.". Die
laut Rede zu untersuchenden Bestandteile des physischen Körpers
sind: 1) Die sichtbaren Teile des Körpers. 2) Das innere Körpergerüst
aus Fleisch, Sehnen und Knochen. 3) Die inneren Hauptorgane. 4) Die
Organe, Inhalte und Produkte des ganzen Verdauungstraktes. 5) Die Flüssigkeiten
des Körpers. 4) Das kontemplative Zurückführen des Körpers (in dessen jeweiliger Position und Lage) auf die "Vier Elemente" Erde, Wasser, Feuer und Luft. Im frühen Buddhismus sind diese die oben genannten Berührungsqualitäten, also alleine unserem Spür- oder Körpersinn zugänglich: "Wie ein geschickter Schlächter eine Kuh geschlachtet und zerlegt hat, und nun alle Teile in die vier Himmelsrichtungen ausbreitet, überblickt man den eigenen Körper in dessen jeweiliger Position und Lage gemäß den Vier Elementen." 5) Das Sichbewusstmachen der Auflösungsstadien des flusshaft-vergänglichen Körpers (in der drastischen Weise der Imagination des bereits toten und allmählich verwesenden Körpers). Diese Körpermeditationen sind "Spürwege", um die Drei Daseinsmerkmale Flusshaftes Vergehen, Nichttragfähigkeit bzw. allbezogenes Nicht-Selbst befreiend zu sehen. So wird die Fixierung des "Selbst" aufgelöst, kommt man "zu sich" nach Hause, in das Verstehen der Höchsten Realität. Die andere zentrale Meditationsrede des Buddha und Quelle des Vipassanâ behandelt das Bewusste Ein- und Ausatmen als einen vollständigen Befreiungsweg. Der Buddha sagt zur Vergegenwärtigung des Körperlichen etwa: "In diesem klaftergroßen
Körper,
Das Bewusste Ein- und Ausatmen gilt in der gleichnamigen Rede des Erwachten als ein vollständiger natürlicher Befreiungsweg. Denn die Atmung ist in ihrer offenkundig unfixierbaren Flussnatur ein relativ leicht zugängliches "Eingangstor" in die Befreiende Schau des Allflusses, der Nichttragfähigkeit bzw. der Leerheit von einem "Selbst" und "Mein" aller Dinge. Das Bewusste Ein- und Ausatmen ist eine intuitive "Leitschiene" für die innere Befreiung im Alltag. Das Bewusste Ein- und Ausatmen wirkt formativ in die Doppelrichtung von Geist und Körper. Denn letztere sind ein untrennbarer Komplex, dessen Qualitäten sich ständig nahtlos im Verlauf oder Zustand des Ein- und Ausatmens widerspiegeln. Deshalb ist das Bewusste Atmen das Hauptinstrument zur Befreiung des Nirvâna. Der thailändische Meister Ajahn
Lee Dhammadaro nennt seinen Vipassanâ-Ansatz "Das Atmen im
Gespür halten". In seinem gleichnamigen Meditationsmanual
wendet er etwa die Vier Edlen Wahrheiten vom Leiden, der Leidensursache,
dem Leidensende und dem Weg dahin (Inhalt der ersten Rede des Buddha)
auf das Verhältnis zur Atmung so an: "1) Das Ein- und Ausatmen ist die Wahrheit vom Stress: Das Einatmen der Stress des Entstehens, das Ausatmen der Stress des Vergehens. 2) Sich nicht des Ein- und Ausatmens bewusst zu sein, also nicht in wissender Berührung mit den sich wandelnden Charakteristiken des Ein- und Ausatmens zu stehen: Hier liegt die Ursache von Stress. Es ist unsere gewöhnlich umwölkte, unklare Bewusstheit. 3) Alle Aspekte des Atemflusses so klar zu sehen, dass man die sie bedingenden Zustände unverhaftet sein lassen kann: Dies ist das Auflösen von Stress. 4) Sich fortlaufend aller Aspekte des Atemflusses bewusst zu sein: Dies ist der Pfad zum Auflösen von Stress." Diese wenigen Worte zu beherzigen, würde bedeuten, den ganzen Inneren Weg zu verwirklichen. Ajahn Lee Dhammadaro wendet ebenfalls den Achtfachen Befreiungsweg (also die Vierte Edle Wahrheit vom Weg zum Leidensende) auf das individuelle Verhältnis zur Atmung an: "1) Zu wissen, wenn das Atmen einzieht, sowie zu wissen, wenn das Atmen auszieht, und dessen Charakteristiken klar zu sehen: Dies ist Treffliche Sicht. Du hältst deine Sicht im Einklang mit der Wahrheit des Atmens. 2) Zu wissen, welche Arten des Atmens unbehaglich sind, zu wissen: ,So ist zu atmen, um heil zu sein': Dies ist Trefflicher Entschluss. 3) Die geistigen Faktoren, die über alle Aspekte des Atmens nachdenken und diese zutreffend einschätzen: Sie sind Treffliche Rede. 4) Zum Beispiel lang ein- und lang auszuatmen, kurz ein- und kurz auszuatmen, kurz ein- und lang auszuatmen oder auch lang ein- und kurz auszuatmen, bis du diejenige Art und Weise des Atmens gefunden hast, welche dir am besten entspricht: Dies ist Treffliches Handeln. 5) Zu wissen, wie du das Atmen benutzen kannst, um dein Blut zu reinigen; wie du dieses gereinigte Blut die Herzmuskeln nähren lassen kannst; wie du weiterhin das Atmen angleichen kannst, damit es den Körper erleichtert und den Geist stillt; also wie zu atmen ist, damit Erfüllung und Frische in Körper und Geist vorherrschen: Dies ist Trefflicher Lebensunterhalt. 6) Sich darum zu bemühen, das Atmen anzugleichen, bis es Körper und Geist befriedet hat; und sich solange beharrlich darum zu bemühen, bis unser tiefes Heilsein hervortritt: Dies ist Treffliche Bemühung. 7) Sich des Ein- und Ausatmens zu jeder Zeit bewusst zu sein; die verschiedenen Aspekte des Atmens zu sehen (den hinauffließenden Atem, den hinabfließenden Atem, den Atem im Bauch, den Atem in den Eingeweiden, den Atem, wie er die Muskeln entlangfließt, und wie er in jede Pore des Körpers einzieht), dies heißt zu jedem Zug des Ein- und Ausatmens die innere Klarheit zu bewahren: Dies ist Treffliche Achtsamkeit. 8) Ein Herzgeist, alleine auf das bedacht, was mit dem Atmen zu tun hat; der nichts anderes dazwischentreten lässt, bis das Atmen fein, geläutert und veredelt ist; ein Herzgeist, der dadurch die Vertiefung und die Befreiende Einsicht zum Vorschein bringt: Dies ist Treffliche Konzentration."
Zu Ajahn Lee Dhammadharo: Das erwähnte englischsprachige Meditationsmanual von Ajahn Lee Dhammadaro steht im Internet: Keeping the Breath in Mind. Es ist sein grundlegendes Werk zur Praxis des bewussten Ein- und Ausatmens als eines vollständigen Befreiungsweges, mit sehr hilfreichen Methoden: www.buddhanet.net/pdf_file/breathmind.pdf Eine Zusammenstellung von Bhikkhu Thanissaro (des Übersetzers Ajahn Lee Dhammadharos) zu den Vier Vergegenwärtigungen der Achtsamkeit (Körper, Gefühle, Geisteszustände und Natürliche Wahrheiten), wie sie Ajahn Lee Dhammadharo versteht, ist das folgende Werk: www.buddhanet.net/pdf_file/frames_ref.pdf
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